close
RTI DeutschRTI App herunterladen
öffnen
:::

Lateinische Umschriften chinesischer Schriftzeichen

  • 23-09-2024
Lateinische Umschriften chinesicher Schriftzeichen
Das Fongyuan Krankenhaus

Wer hat eigentlich entschieden, wie chinesische Zeichen in lateinische Schrift umschrieben werden? Und warum findet man trotzdem noch unterschiedliche Schreibweisen des gleichen Wortes? Und was hat das letztendlich mit Politik zu tun? Diesen Fragen ist unsere Praktikantin Antonia Lex nachgegangen.

Schon früh gab es verschiedene Versuche, eine universell verständliche lateinische Umschrift der chinesischen Schriftzeichen zu entwickeln. Bis zu dem heute weitestgehend verbreitenten Hanyu Pinyin war es aber ein langer Weg. In dieser Sendung schauen wir uns die drei Umschriften an, die heute noch für Taiwan relevant sind.

Die erste Entwicklung einer solchen Umschrift, also von den chinesischen Schriftzeichen zu einer lateinischen Schrift, erfolgte durch jesuitische Missionare in China schon im späten 16. Jahrhundert.

Eine Umschrift von einem Sprachsystem zu einem ganz anderen zu entwickeln ist gar nicht so einfach. Die Chinesische Sprache enthält viele Laute, die in europäischen Sprachen nicht existieren. Besonders auffällig sind hierbei die Töne. Wenn man in der chinesischen Sprache Vokale unterschiedlich betont, erhält man unterschiedliche Wörter. Mandarin, also das Hochchinesische, unterscheidet 4 Töne, andere chinesische Dialekte sogar noch mehr.

In den europäischen Sprachen verändert die Betonung die Wortbedeutung nicht, weshalb sie auch nicht im Schriftbild festgehalten wird. Für dieses Problem musste mit dem lateinischen Alphabet eine neue Lösung gefunden werden.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass die entwickelte Umschrift für viele Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen so leicht verständlich wie möglich sein sollte. Selbst Sprachen mit demselben Schriftsystem können den gleichen Laut unterschiedlich schriftlich darstellen. Zum Beispiel der Deutsche „sch“-Laut, der im Englischen mit „sh“ dargestellt wird, zum Beispiel in „Fisch/fish“.

Die erste weltweit verwendete Umschrift der chinesischen Schriftzeichen war die Wade-Giles Umschrift. Entwickelt wurde sie von dem Briten Thomas Wade, und zwar aufbauend auf dem Peking-Dialekt. Später griff Herbert Giles das Projekt auf.  Er veröffentlichte sein Englisch-Chinesisches Wörterbuch im Jahre 1892, das auf genau dieser Wade-Giles Umschrift basierte. Das Wade and Giles System wurde 1912 offiziell anerkannt, und war bis in die 1970er Jahre die am meisten genutzte Umschrift.

Aufgrund verschiedener Schwierigkeiten mit dem Wade-Giles System führte Festlandchina 1958 eine neue Umschrift ein. Das sogenannte Hanyu Pinyin stellt seit 1982 den internationalen Standard dar. Es basiert ebenfalls auf dem Peking Dialekt. Heute lernen sowohl Ausländer als auch Kinder aus Festlandchina die Aussprache der Schriftzeichen mithilfe des Hanyu-Pinyin.

Die Darstellung der Töne stellt den größten Unterschied zwischen den beiden Umschriften dar. Wade-Giles stellt die Töne als Zahl hinter dem Vokal dar, durchnummeriert von eins bis vier. Hanyu Pinyin dagegen markiert den Ton mit Strichzeichen über dem Vokal. Aber auch Laute und Vokal werden unterschiedlich dargestellt. Hanyu Pinyin benutzt etwa die Buchstaben q, x, b oder g, die Wade/Giles Umschrift dagegen nicht.

Während China nach der Umstellung zu Hanyu Pinyin auch die Romanisierung der Personen- und Städtenamen änderte, behielt Taiwan die alten Umschreibungen mit Wade/Giles bei.

Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Taichung: Der „dsch“ Laut in „Taichung“ wird in Hanyu Pinyin mit „zh“ umschrieben. Im Wade/Giles System dagegen wird für den gleichen „dsch“ Laut nicht „zh“ sonder „c-h“ geschrieben. Das „O“ wird außerdem zu einem „u“.

So wird aus „zhong“, also dem chinesische Wort für „Mitte“, „zhong/zhōng“ in Hanyu Pinyin.  Der offizielle Name findet sich dagegen noch in der alten Umschrift im Wade/Giles System: also NICHT „zhong“ sondern „chung/chu4ng“. Auch im Deutschen ist die Stadt deshalb eher unter „Taichung“ bekannt, was eben an der veralteten Umschrift liegt.

Es gibt allerdings noch eine zweite Pinyin-Umschrift, das sogenannte Tongyong Piyin. Tongyong Pinyin wurde auf Taiwan entwickelt, und war dort der offizielle Standard von 2002 bis 2008. Als die chinanahe Partei Kuomintang 2008 die Präsidentschaftswahlen in Taiwan gewannen, wurde nun auch in Taiwan das Hanyu Pinyin eingeführt. Einige der von der Democratic Progressive Party DPP regierten Stadt- und Landkreise setzten diesen neuen Standard allerdings nicht um. Das betraf vor allem Regionen im Süden. In Kaohsiung, einer Großstadt im Süden von Taiwan, ist etwa die U-Bahn Beschilderung noch immer in Tonyong Pinyin umschrieben. Kaohsiungs Flughafen liegt im Stadtteil Xiaogang (小港), also „kleiner Hafen“.  In dem heute gebräuchlichen Hanyu-Pinyin wäre das xiao, also mit x. Tongyong Pinyin stellt den „x“ Laut dagegen nicht mit x, sondern mit einem s dar. Deswegen findet sich auf der Beschilderung in Kaohsiung der Name als „siaogang“.

Beide Pinyin Schriften sind Weiterentwicklungen des Wade-Giles Systems, und sind sich deshalb in vielen Aspekten ähnlich. Nur etwa ein Drittel der Laute unterscheidet sich in der Darstellung. So bleibt auch das „gang“ aus „Xiaogang“ in beiden Umschriften gleich.

Mit Wade/Giles  würde man 小港 übrigens als „hsiao-kang“ romanisieren.

Letztendlich ist es ein politischer Konflikt zwischen einer von China und einer von Taiwan entwickelten Umschrift. Damit geht es, wie so oft in Taiwan, um eine Frage der nationalen Identität. Taiwan hat deshalb eine einzigartige Position in dieser Umschrift-Verwirrung, mit drei verschiedenen offiziell benutzten Umschriften.

 

Redaktion

Kommentare