Energie, das ist ein heikles Thema in Taiwan. Die Insel ist aktuell fast vollständig auf Energieimporte angewiesen, hauptsächlich Kohle, Öl und Erdgas. Das soll sich ändern, im Jahr 2016 hat die Regierung unter der Präsidentin Tsai Ing-wen mit der sogenannten energy transition policy die taiwanische Energiewende eingeleitet. Ausstieg aus der Atomenergie, Ausbau von Wind- und Solarenergie. Doch trotz einiger Erfolge hinkt man den selbst gesteckten Zielen hinterher. Die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien auf 20% des Energiemixes bis 2025 wird als unrealistisch eingeschätzt, 2022 waren es gerade einmal 8%. Zudem sorgen temporäre Stromausfälle für Unsicherheiten in der Bevölkerung und der nächste, klimaanlagenbedingt, energieintensive Sommer steht vor der Tür.
Von offizieller Seite werden beruhigende Worte angeschlagen. So hat der stellvertretende Wirtschaftsminister und amtierende Vorstandsvorsitzende des staatlichen Energieunternehmens Taipower, Tseng Wen-sheng (曾文生) per Video eine künftig stabile Energieversorgung angekündigt. Zudem werden die Gasspeicher für einen Notfall, bei ausbleibenden Importen, aufgestockt.
Jacky Teng (鄧宇佑) von der taiwanischen NGO Citizens of Earth (kurz COE) sieht die vergangenen, kurzzeitigen Ausfälle nicht als Zeichen einer mangelnden Versorgungslage, sondern führt menschliche Fehler und Transmissionsprobleme im landesweiten Stromnetz an: „Auch wenn viele Taiwaner glauben, es gebe einen Energiemangel und wir sollten mehr Kraftwerke bauen, ist das nicht die alleinige Lösung zur Energiesicherheit. Das ist ein Kommunikationsfehler.“
COE unterstützt den angestrebten Weg der Regierung, weist aber auf ökologische Zielkonflikte beim Ausbau der Erneuerbaren hin: Ob Wälder, Ackerflächen oder marine Ökosysteme, auf der Insel ist Fläche ein knappes Gut. Es gehe daher um eine Neubewertung von Flächenpotentialen und die Kombination verschiedener Nutzungsformen. „Wir müssen Veränderungen im kleinen Maßstab besser fördern“ fordert Teng und hat dabei beispielsweise gesetzliche Vorschriften und Kredite für Solardächer im Blick. Auch der Preis spiele eine Rolle: Energie ist in Taiwan sowohl für private Haushalte (der Verbrauch pro Person beträgt bei steigender Tendenz knapp 58.000 kWh im Jahr, in Deutschland sind es 42.000 kWh) als auch insbesondere für die Industrie im internationalen Vergleich günstig. „Wenn wir die Kosten Schritt für Schritt erhöhen, muss die Regierung für diejenigen sorgen, die es sich nicht leisten können" sagt der 31-jährige Taiwaner Teng.
Für den kommenden Wahlkampf sieht Citizens of Earth sowohl die KMT als auch die DPP als angreifbar beim Thema Energie an. Es gebe Unterschiede in der Bewertung von Nuklearstrom, aber auch einen gemeinsamen Nenner: „Beim grundsätzlichen Ziel, den Kohleanteil zu verringern, herrscht parteiübergreifende Einigkeit“. So oder so, die taiwanische Energieversorgung wird Thema bleiben.